Der schwierige Umgang mit sexueller Gewalt
Die Frauenberatungsstellen bei sexueller Gewalt beraten, coachen und informieren Sie zu sexueller Gewalt an Frauen und Mädchen. Dieses Angebot richtet sich an:
- Familienmitglieder, Freund*innen, gute Bekannte oder andere Vertrauenspersonen einer betroffenen Frau bzw. eines betroffenen Mädchens,
- Professionist*innen, die beruflich mit sexueller Gewalt an Frauen/ Mädchen konfrontiert sind,
- Schüler*innen und Student*innen, Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, Journalist*innen, die zum Thema arbeiten,
- Politiker*innen und politisch engagierte Personen, die sich für die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen engagieren (möchten).
Unsere Beratungen können persönlich, telefonisch oder per E-Mail in Anspruch genommen werden. Einzelne Beratungsstellen bieten auch eine Onlineberatung an.
Themen der Beratung/ des Coachings können sein: hilfreicher Umgang mit einer Betroffenen Frau, einem betroffenen Mädchen, Konsequenzen einer Anzeige, mögliche therapeutische und/ oder medizinische Möglichkeiten nach sexueller Gewalt, Ursachen, Auswirkungen und Häufigkeit sexueller Gewalt an Frauen und Mädchen u.A. (siehe auch: Häufige Fragen von Bezugspersonen).
Das Angebot richtet sich auch an Gruppen (z.B. Teams oder Firmen) und es kann bei der Frauenberatungsstelle für einen Workshop oder Vortrag zum Themenbereich sexuelle Gewalt an Frauen angefragt werden. Bitte wenden Sie sich dafür an die Beratungsstelle in ihrem Bundesland.
Zu Präventionsangeboten der Frauenberatungsstellen bei sexueller Gewalt (z.B. Mädchenworkshops) siehe: Prävention
Herausforderungen im Umgang mit sexueller Gewalt
Bei der Auseinandersetzung mit sexueller Gewalt, sei es als nahestehende Person, professionelle*r Helfer*in oder Wissenschaftler*in, gibt es verschiedene Herausforderungen, die auftreten können:
Engagement und Selbstfürsorge
Haben Unterstützer*innen übermäßige Ansprüche an sich selbst oder an andere aus dem sozialen Umfeld, kombiniert mit zu viel Engagement und zu wenig Selbstfürsorge, kann das zu negativen Begleiterscheinungen führen (z.B. Druck, Stress, Schlafstörungen, usw.) Es gilt: „Verlieren Sie sich beim Helfen nicht selbst“.
Eigene Erfahrungen sexueller Gewalt
Durch die Auseinandersetzung mit Betroffenen können Erinnerungen an eigene Erfahrungen mit sexueller Gewalt wieder aktiviert werden und sogar Symptome auslösen. Ein solches Erlebnis kann aber auch einen Schutzfaktor darstellen, wenn Bewältigungsstrategien entwickelt wurden, die als hilfreich erlebt wurden und die nun als Entlastung eingesetzt werden können. Vor allem aber können hilfreiche Bewältigungsstrategien an andere Betroffene weitergegeben werden.
Zwischen Ohnmacht und Wut
Um gegen das Gefühl völliger Hilflosigkeit anzukämpfen, übernehmen Unterstützer*innen macnhmal Aufgaben, die „zu viel“ sind und eine Überforderung darstellen können. Hinzu kommt, dass sich Opfer von sexueller Gewalt dann oftmals unter Druck oder Zugzwang fühlen und es kommt vor, dass das die betroffene Frau in ihrer Selbstbestimmung schwächt und noch ohnmächtiger macht. Je hilfloser und abhängiger sich die betroffene Person fühlt, desto mehr verschlimmern sich normalerweise die Symptome. Es ist wichtig, sich an das Tempo der Frau/ des Mädchens zu halten und nichts gegen ihren Willen zu unternehmen. Im Extremfall entwickeln Unterstützer*innen, als Abwehr ihrer eigenen Ohnmachtsgefühle, eine Haltung der Allmacht, womit sich alle Arten von Grenzüberschreitungen „zum Wohle des Opfers” rechtfertigen lassen.
Eine mögliche Identifikation mit dem Opfer schließt auch das Gefühl der Wut mit ein. Diese Wut kann extreme Ausmaße annehmen: Sie erstreckt sich von konkreter Empörung über Frustration und Gereiztheit bis zum Gefühl eines unbestimmten Zorns. Die Wut richtet sich u. U. nicht nur gegen den Täter, sondern auch gegen Tatzeugen, die nicht geholfen haben oder auf das soziale Umfeld, das kein Verständnis zeigt und auf die Gesellschaft im Allgemeinen, die so etwas zulässt und toleriert. Wird diese Wut nicht immer wieder bewusstgemacht, besteht die Gefahr, dass sich sowohl Opfer als auch Unterstützer*innen darin verlieren und in Ohnmacht und Hilflosigkeit versinken. Wut ist eine normale, kraftgebende Reaktion und kann auch als Motivation dienen.
Im Spannungsfeld zwischen Opfer und Täter
Bei sexueller Gewalt geraten Menschen unvermeidlich zwischen Opfer- und Täterseite, vor allem, weil sexuelle Gewalt mit verborgenen Ängsten, Vorurteilen und Mythen über typisch männliche und weibliche Verhaltensweisen zu tun haben. Die Täterseite hat den Wunsch, nichts zu sehen, nichts zu hören und nicht darüber zu sprechen.
Betroffene Frauen haben in der Regel Angst vor bestimmten Situationen, Orten, Berührungen oder Männern im Allgemeinen. Manche Freunde, Lebensgefährten oder Ehemänner fühlen sich dann behandelt, als ob sie der Täter wären. Es kann zu Scham- und Schuldgefühlen kommen, die Betroffene nicht geschützt und den sexuellen Übergriff nicht verhindert zu haben. Die Beschäftigung mit sexueller Gewalt verlangt Sensibilität, Empathie und Engagement aber manchmal auch Zurückhaltung. Betroffene sollen das Gefühl haben, dass ihnen geglaubt wird, sie selbst keine Schuld an dem Geschehenen haben und dass nichts gegen ihren Willen geschieht.
Siehe auch: Wie kann ich unterstützen?
Besondere Herausforderungen für Professionist*innen
Für Professionist*innen, die mit Frauen und Mädchen in beratender, betreuender oder lehrender Funktion arbeiten, stellen sich Fragen, wie: „Wie kann ich der Bertoffenen in ihrem Sinn helfen und gleichzeitig meiner beruflichen Verantwortung und meinen Verpflichtungen gerecht werden?“ „Welchen Regeln folge ich, gibt es Standards in meiner Einrichtung im Umgang mit Vorfällen sexueller Gewalt?“ „An wen kann ich mich wenden?“ „Wie kann mich mein Team, meine*n Chef*in, unterstützen?“ „Was ist die richtige Vorgehensweise, wenn der Täter ein Kollege ist?“
Für Fragen dieser Art wenden Sie sich bitte an die Beratungsstelle in ihrem Bundesland. Wir unterstützen Sie dabei, Antworten auf diese Fragen und einen für Sie passenden Umgang mit einem Vorfall sexueller Gewalt zu erarbeiten.