Sexuelle Gewalt – immer noch ein Tabu?
Sexuelle Gewalt ist kein Einzelschicksal, sondern ein gesellschaftliches Problem, das noch immer tabuisiert wird. Durch Vorurteile und Mythen wird besonders diese Form der Gewalt an Frauen verharmlost. Auf dieser Seite finden Sie unter Anderem einige Beispiele solcher Vorurteile und Fakten, die diese widerlegen.
„Ein Tabu beruht auf einem stillschweigend praktizierten gesellschaftlichen Regelwerk bzw. einer kulturell überformten Übereinkunft, die bestimmte Verhaltensweisen auf elementare Weise gebietet oder verbietet. Tabus sind unhinterfragt, strikt und bedingungslos, sie sind universell und mithin Bestandteil einer funktionierenden menschlichen Gesellschaft.“ (Seite „Tabu“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie).
Wie über sexuelle Gewalt geredet und berichtet wird
Sexuelle Gewalt rückt seit einigen Jahren verstärkt in die Öffentlichkeit. Es wird heftig darüber diskutiert und gestritten. Das Thema polarisiert und emotionalisiert enorm. Durch Bewegungen wie #MeToo wurde deutlich, dass sexuelle Übergriffe und Gewalt nicht "nur" das Problem einer kleinen Randgruppe sind. Das Wissen über sexuelle Gewalt, sowie das Bewusstsein für Ausmaß und Folgen davon sind gestiegen.
Wurden Sie bei einer Diebstahlsanzeige schon einmal danach gefragt, welche Kleidung Sie zur Tatzeit an hatten?
Vorurteile und Mythen sind gefährlich. Sie tragen dazu bei, dass sexuelle Gewalt verharmlost und gerechtfertigt wird. Sie steigern auch die Bereitschaft selbst sexuelle Gewalt auszuüben, denn sie ermöglicht (potentiellen) Tätern, die Verantwortung auf die Opfer zu lenken. Je höher die Zustimmung zu Vergewaltigungsmythen ist, desto stärker ist die Tendenz die Verantwortung vom Täter auf das Opfer zu lenken.
Für betroffene Frauen und Mädchen sind diese Mythen sehr belastend, da ihnen dadurch indirekt eine Mitverantwortung angelastet wird oder angedeutet wird, sie hätten die sexualisierte Gewalt verhindern können.
© Slutwalk München
Folgenschwer sind diese Vorannahmen auch, wenn sie als selbstverständlich geltende Wahrheiten (unhinterfragtes "Wissen") den Umgang mit Betroffenen von sexueller Gewalt beeinflussen. Zum Beispiel, wenn Vertreter*innen von Sicherheits- oder Justizbehörden oder Medien die Glaubwürdigkeit des Opfers anzweifeln, oder wenn die betroffene Frau sich anders verhält, als dies den von den Vorurteilen geprägten Erwartungen entspricht (vgl. Erklärung Täter-Opfer Umkehr oder Artikel „#MeToo – Der Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt“ von Rechtsanwältin Sonja Aziz).
Warum billigen (oder glauben) auch Frauen diese Vorurteile?
Sexuelle Gewalt und die damit verbundene Machtlosigkeit, sowie die Gefahr der eigenen Betroffenheit macht Angst. In dem das Verhalten des Opfers als Grund für die Tat angesehen wird, ist es möglich, sich selbst zu distanzieren. Die Illusion, sich durch „richtiges“ Verhalten schützen, eine eigene Betroffenheit verhindern zu können, kann so aufrechterhalten werden.